Ich bin kein Pilger

Ich habe weder eine Muschel am Fahrrad hängen, noch hatte ich einen Stein dabei, den ich am Cruz de Ferro hätte niederlegen können, noch habe ich einen Pilgerpass, der regelmäßig abgestempelt wird. Ich denke, dass mir auch die innere Einstellung zum Pilgern fehlt. Und wenn, würde ich mir ein anderes, einsameres Ziel aussuchen. Wobei natürlich nicht das Ziel, sondern der Weg entscheidend ist. Die Spanier sehen das entspannter: für die ist jeder ein Pilger, der in die nordwestliche Ecke von Spanien unterwegs ist. Vielleicht ist einfach auch nur mein eigener Anspruch zu groß. Nichtsdestotrotz lasse ich diesen Weg auf mich wirken und am Mittwoch die Stadt selbst.

Santiago – Dienstag spät abends

Bin sauber und gesättigt (Pfannkuchen mit Nutella – bei meiner Ausrüstung durchaus eine Herausforderung) und sitze jetzt vor der Bar des Campingplatzes und lasse den Tag nachklingen.

Es waren heute sehr schöne Strecken dabei (vgl. Bilder unten), vor allem bis kurz vor Palais de Rei. Der Rest auf der N-547 war weniger berauschend. Den Original-Camino wollte ich auf diesem Abschnitt nicht nehmen – ich bleibe dabei: der gehört den Pilgern zu Fuß. Als Radfahrer hat man dann gefälligst eine andere Strecke zu nehmen. Und es gibt ja auch die für Autofahrer ausgeschilderte Route, an die ich mich im Wesentlichen halte; häufig ist die mit dem Original-Camino auch identisch.

Wobei der Camino spätestens seit Leon ein wirklich vollkommen neues Erlebnis und Ereignis darstellt: Es ist hier in Spanien fast wie ein Volkssport. Es ist unglaublich viel los: auf dem Weg, in den Bars und an den Rastplätzen. Regelmäßig kommen Brunnen, Albergues und Cafés. Eine Halbliter-Flasche würde genügen, da man permanent nachfüllen kann.

Das war ein echter Nachteil der Radwege in Frankreich: man konnte tagelang am Rhein-Rhone-Kanal entlang radeln, ohne ein Laden, eine Wirtschaft oder sonst irgendeine Versorgungsmöglichkeit zu finden. Man musste den Radweg auf gut Glück verlassen.

Nach rund 2.450 km auf dem Rad bin ich jetzt in Santiago. So viele unterschiedliche Landschaften, Menschen, Häuser, … Diese Dinge ändern sich nicht schlagartig, sondern ganz langsam. Bis einem plötzlich auffällt, das war vor 20 km aber noch irgendwie anders. Und viele Dinge sind unverändert: Milchtüte, Spülschwamm und Nutella sehen genauso aus wie im Edeka zuhause – es sind die kleinen Dinge des Alltags, an denen das deutlich wird. Ich zahle mit Euros und die Straßenschilder sind die gleichen. Europa ist für mich bei dieser Tour kleiner, erreichbarer geworden. Und gleichzeitig ist Europa für mich größer geworden, vielfältiger und abwechslungsreicher.

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Santiago

Bin nach ca. 118 km kurz vor 20 Uhr in Santiago angekommen und schnurstracks zum Campingplatz geradelt. Am Mittwoch mach ich mich dann frisch und munter auf in die Stadt und zur Kathedrale.

Arzua

Ein elendiges auf und ab auf den letzten Kilometern zermürben etwas. Arzua ist der letzte größere Ort vor Santiago.

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Melide

Seit kurz vor Palais de Rei (klingt besser als was der Ort wirklich hergibt) auf der N-547 unterwegs und eben durch Melide gekommen. Die Hauptstraße ist jetzt nicht der große Hingucker (vgl. Bild); das Ortszentrum dann aber ganz hübsch.

Mega großes und dickes Lob an Frau Haußer und vielen Dank für die Unterstützung aus dem Colorado Turm: ich komme mit dem iPhone wieder ins Internet. Mal sehen, wie lange noch.

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Airexe

14:23Uhr :
Ein Winz-Weiler, den man auf keiner Karte findet. Die Kühe neben dem Friedhof fand ich originell.

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Portomarin

Kurz vor 12 Uhr in Portomarin. Der Ort hieß, wohl schon so, bevor im letzten Jahrhundert der See aufgestaut wurde.

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Romantisches Buswartehäuschen

10:18 Uhr :
Kurz nach Sarria – also 5 km und 100 Höhenmeter – kommt die Sonne raus. Oder ich habe mich aus dem Nebelloch herausgekämpft. Da steht ein nicht besonders häufig frequentiertes Buswartehäuschen.

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Abfahrt Sarria

Bei 10 Grad und Nebel um 9 Uhr vom Campingplatz abgefahren. In Sarria dann noch zur Bank, eingekauft und einen Kaffee eingeworfen, so dass es jetzt auch schon fast 10 Uhr ist.

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